„Die mit hoher Bewilligung in der Behausung des Musikus Wolters in Lewe von mir angelegte Filial-Apotheke, welche den 6. September des Jahres eröffnet werden wird, empfehle ich hierdurch bestens.
Salzgitter, den 27. August 1828
C. F. C. Sievers, Apotheker.“
Zeitungsanzeige vom 27.08.1928
Mit diesen Worten wurde die Errichtung einer Apotheke in Liebenburg in den regionalen Zeitungen angekündigt. Vor mehr als 175 Jahren – am Samstag, den 06. September 1828 – wurde die Apotheke in Liebenburg eröffnet.
Welche hohe Behörde diese Genehmigung erteilte, steht nicht mehr fest. Auf jeden Fall geschah es im Namen des Königs von Hannover. Seit 1814 gab es ein Königreich Hannover und im Jahre 1828 war König Georg IV. Landesvater, König von Groß Britannien, Irland und Hannover. Den Landkreis Goslar gab es noch nicht. Liebenburg war seit Jahrhunderten ein Amt, also Ort der Verwaltung und des Gerichtes. Dadurch war Liebenburg sehr bekannt. Es kamen viele Leute in den Ort und brachten Handel und Handwerk und manchen Umsatz. Selbst die Könige weilten oft hier und zwar im Gasthof "König von Hannover", dem heutigen St. Theresienstift. Einer der Hannoverschen Könige ließ auch ein kleines Jagdhaus bauen, welches heute noch in der Nähe des Schützenplatzes steht.
Liebenburg hatte also eine gewisse Bedeutung. So war es nicht verwunderlich, dass versucht wurde, hier eine Filial-Apotheke zu gründen.
Ein Antrag auf Errichtung einer Filiale wurde schon 1827 vom Apotheker Braunholz in Goslar erfolglos gestellt; Erst Carl Friedrich Conrad Sievers, Eigentümer der priveligierten Sievers‘schen Apotheke in Salzgitter hatte Erfolg.
Eingerichtet wurde die Apotheke im Hause des Musikus Wolters. Das Haus des Musikus Wolters, welches schon Bäckerei und auch Gastwirtschaft gewesen war, steht heute noch im Kötherkamp Nr. 6 in Lewe. Dieses Haus war für damalige Zeiten recht solide gebaut und ähnelt in seiner Bauweise der heutigen Apotheke.
Die Apotheke ist entweder recht gut gegangen, vielleicht aber war auch die Lage nicht gut, jedenfalls plante Herr Sievers schon kurz darauf einen Neubau auf dem Breiten Wege, der späteren Neuen Reihe und heutigen Schloßstraße.
Dieser Breite Weg war damals ein Schotterweg mit Straßengraben und Kirschbäumen an den Seiten. Die Gräben wurden erst kurz vor dem 1. Weltkrieg verrohrt, Kirschbäume an der Straße gab es noch in den 40er Jahren. Links der Apotheke stand schon ein Haus (Nr. 3), damals eine Tischlerei dessen Werkstatt auf dem Nachbargrundstück stand. Rechts das Haus (Nr. 7) stand noch nicht, es wurde erst 10 Jahre später gebaut. Gegenüber der Apotheke stand schon seit 1820 das Haus, in welchem heute die Verwaltung der Klinik untergebracht ist. Dort wohnte ein Arzt, und es ist anzunehmen, dass die Apotheke seinetwegen diesen Standort erhielt.
Herr Sievers ließ ein solides Fachwerkhaus bauen, gezimmert in Salzgitter, auseinandergenommen, nach Liebenburg gefahren und wieder aufgestellt (Vorläufer eines Fertighauses - alles schon da gewesen). Zur Finanzierung des Baues borgte sich Herr Sievers 1000 Thaler, von dem, der das meiste Geld hatte, von Pastor Paasch, dem Administrator des Armenfonds.
Die Ausgaben über den Bau sind genau aufgezeichnet. Jeder Nagel, Trinkgelder, Fuhrlöhne wurden notiert. Beim Richtfest wurden 13 Thaler vertrunken. Es muss ein feuchtes Fest gewesen sein, wenn man bedenkt, dass der ganze Hausbau 4964 Thaler und 35 Groschen gekostet hat. Der schöne Türbeschlag mit dem Klopfer an unserer Eingangstür kostete 9 Thaler. Die Apothekeneinrichtung wurde aus der Apotheke im Wolters´schen Hause übernommen, daran zu erkennen, dass sich bis 1969 in der Apotheke eine Schublade in der alten Einrichtung befand, auf der sich der Maler Gottfried Krüger 1828 verewigte. Diese alte Apothekeneinrichtung existiert noch heute, allerdings nicht mehr in Liebenburg, sondern im Braunschweigischen Landesmuseum. Auch über das in das neue Haus am Breiten Weg eingebrachte Inventar wurde eine Inventarliste angelegt. Man kann lesen, dass vom zinnernen Nachttopf bis zur Zuckerdose an alles gedacht war.
Beschläge der Apotehken-Eingangstür
Die neue Apotheke wurde im Herbst 1830 eröffnet. Die Leitung hatte von Anfang an der Apotheker Emanuel Donner. 1831 fand die erste amtliche Revision statt, über die ein seitenlanges Protokoll gefertigt wurde. Es wurde bescheinigt, dass alles in so lobenswerter Ordnung und Reinlichkeit war, dass – Zitat: „... sie jeden Tag zu einer selbständigen Apotheke erhoben werden kann.“
Der Schritt in die Eigenständigkeit erfolgte im Jahre 1832. Am 14.Februar 1832 verkaufte Herr Sievers die Apotheke an seinen Provisor, Herrn Donner, mit allem was in und an den Gebäuden grund-, band-, niet- und nagelfest ist, mit allem Inventar für 4750 Thaler. Was Herrn Sievers letztendlich veranlasste, schon so bald zu verkaufen, ist unbekannt. Möglicherweise lag der Grund im frühen Tode seiner Frau. Durch diesen Verkauf wurde aus der Filiale eine realberechtigte Vollapotheke. Dieses bedingte, dass schon 2 Jahre nach dem Neubau erhebliche Veränderungen vorgenommen werden mussten, denn es wurden für die Vollapotheke zusätzliche Räume benötigt. Herr Donner behielt die Apotheke bis 1847. Noch zu seinen Lebzeiten verkaufte er an Herrn Apotheker Hasenbalg. Der Kaufpreis war schon etwas höher, denn allein die Hypothek, die Herr Hasenbalg von Herrn Donner aufnahm, betrug 5000 Thaler.
Über Herrn Hasenbalg ist nicht viel in Erfahrung zu bringen, er war Inhaber von 1847 - 1879. Woher er kam, ist nicht bekannt, es ist aber möglich, dass er ein Liebenburger war, denn schon von 1770 - 1820 gab es in Liebenburg einen Pastor namens Hasenbalg und später auch einen Amtmann.
1879 verkaufte Herr Hasenbalg an Andreas Oberbeck aus Klein Mahner. Über Herrn Oberbeck ist mehr in Erinnerung. Aus der Familie Oberbeck sind in Liebenburg noch würdige Nachfahren in der Familie Dr. Kasten vertreten. Apotheker Oberbeck war ein Bruder des Sanitätsrats Dr. Oberbeck, der zuerst im Haus Nr. 7 neben der Apotheke wohnte.
Apotheker Oberbeck war wie viele Apotheker ein eifriger Botaniker und noch eifriger Jäger. Bei einem seiner Jagdgänge entdeckte er in der „Taubenschlucht“ eine Quelle, die er untersuchte und einen Salzgehalt von 0,9 % feststellte. Beim Bau der späteren Badeanstalt wurde das Wasser dieser Quelle genutzt. Es gab also in Liebenburg auch einmal ein Solebad.
Herr Oberbeck hatte eine große Familie, und da er sehr schwerhörig war, auch viel Personal. Nach dem Tod seiner Frau gab er die Apotheke ab, da er sich infolge seines Leidens nur schlecht allein helfen konnte. Er verkaufte am 1.10.1903 an den Apotheker Ernst Halle. Dieser renovierte das Haus von Grund auf und als großer Blumenfreund ließ er den Garten neu anlegen. Er beschäftigte dabei Strafgefangene aus der Burg.
Herr Halle war ein rühriger Apotheker und stellte selbst etliche Spezialitäten her, so Zahnpasta in Dosen, Kosmetika und auch Back- und Puddingpulver. Echte Arzneispezialitäten gab es erst 3 zu jener Zeit: Schweizer Pillen, Pain Expeller und Scott-Emulsion. Er richtete Botendienste ein, damals schon mit behördlicher Erlaubnis, und war wie alle Landapotheker sehr angebunden. Das zeigen seine wiederholten Anträge, die Apotheke sonntags ab 13:00 Uhr schließen und das Haus verlassen zu dürfen. Vielleicht war es dieses Angebundensein, oder auch die Kinderlosigkeit seiner Ehe, die ihn veranlassten, Liebenburg schon vier Jahre später wieder zu verlassen.
Apotheke Liebenburg um 1894
Am 1.4.1908 verkaufte Herr Halle die Apotheke an Reinhard Franz. Die unruhige Zeit nach dem letzten Krieg und sein fortgeschrittenes Alter veranlassten Reinhard Franz die Apotheke zu verpachten. Nicht aber um die Hände in den Schoß zu legen, sondern um als Mitarbeiter weiterzumachen.
Der erste Pächter 1946 war Hans Georg Haffner aus Königsberg. Dieser verstarb aber schon nach wenigen Monaten, und es folgte Ludwig Gassner aus Gumbinnen in Ostpreußen. Herr Gassner gründete 1950 in Bad Harzburg eine eigene Apotheke und die Pacht ging über an Herrn Apotheker Hansgeorg Lauk.
1960 wurde die Pacht beendet. Herr Lauk ging nach Salzgitter und gründeten die Apotheke am Schützenplatz. Bodo Franz, Sohn des Verpächters Reinhard Franz übernahm die Apotheke.
Am 1. April 1995 wurde die Apotheke Liebenburg abermals verpachtet – an den heutigen Inhaber Hartwig Franz, der mit Urkunde vom 25.07.2000 die Apotheke als Eigentümer führt. Somit ist die Apotheke Liebenburg nun in 3. Generation in den Händen der Familie Franz.
100 Jahre Familienbesitz
Vor 100 Jahren kaufte mein Großvater Reinhard Franz aus Göttingen von dem damaliegen Eigentümer Ernst Halle die Apotheke (in) Liebenburg. Obwohl er in den unruhigen Zeiten nach dem 2.Weltkrieg verpachtete, ist die Familie Franz seit dem 01.04.1908 Eigentümer der Apotheke Liebenburg - nun also schon in der 3. Generation.
Reinhard Franz, Eigentümer 1908-1951
In den Jahren 1946 -1960 war die Apotheke Liebenburg verpachtet. Eigentümer war aber weiterhin die Familie Franz - mein Großvater bis zu seinem Tod 1951, anschließend meine Großmutter Emilie Franz bis 1960.
Bodo Franz , Eigentümer 1960 - 2000
Hartwig Franz, Eigentümer seit 2000